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Neuigkeiten vom Lions Club Gera
Ja, ist es denn möglich? Ein Virus holt die verkabelte Menschheit zurück auf den Boden der Realität. Wir haben wie-der einmal lernen müssen, dass wir nur ein Teil der übermächtigen Natur sind, auch wenn wir schon glaubten, die Natur besiegt zu haben. Weit gefehlt! In Zeiten einer Pandemie zeigt es sich, wo unsere Grenzen liegen. Vor langen Zeiten hätten wir geklagt: Die Götter strafen die Menschen für ihren Ungehorsam, ihren Überfluss und die Umweltzerstörung! Das ist vorbei, obwohl …
Der Mensch ist plötzlich bereit, seine Ansprüche wieder zurückzustecken. Denn das egoistische Munterdrauflos und das Wassollmirschonpassieren erleben derzeit einen gewaltigen Dämpfer. Die Räder stehen weltweit still. Staunend steht der Mensch vor seinen technischen, wirtschaftlichen und weiß der Kuckuck hervorragenden anderen Leistungen – und muss doch erkennen, wie verletzlich er immer noch ist. Ein Virus macht es möglich. Es holt uns derzeit vom Sockel der Überheblichkeit.
Das Leben mit dem Virus führt zu typischen Reaktionen: Hätte man nicht … müsste man nicht … Die Angst geht um, und mit ihr macht sich sofort die Vorwurf-Panik breit, in der Dilettanten das Wort führen. Vielleicht gelingt es dem Virus aber auch, dass wir zu neuen Denkanstößen zurückzukehren, zu einer Wende, zu einer neuen Form des Humanismus in unserer globalisierten Gesellschaft, die aus den Fugen zu geraten scheint. Das würde Sinn machen. Doch hat der Mensch aus den vergangenen Seuchen – Pest, Cholera, Typhus, Syphilis usw. – gelernt? Nur für eine kurze Zeit vielleicht, dann hatte der alte Schlendrian die Tagesordnung zurückerobert. Zu allen Zeiten blieb die Solidarität, die wir jetzt so intensiv beschwören und allen Bürgern abverlangen, auf der Strecke. Die Frage also: Kann denn das bodenlose „Immer mehr“ wirklich das wichtigste Ziel in unserem Dasein sein? Wäre nicht diese Variante besser: Kooperation statt Egoismus? Demut statt Überheblichkeit. Anteilnahme statt Wegsehen.
Der Überfluss in unserer modernen Wegwerfgesellschaft weicht vielleicht diesmal einer Verantwortung für die, die den neuen Geschwindigkeiten unterlegen sind. Endlich schweigen einmal die Besserwisser und Kritikaster, die Stammtischschwätzer und Extremdenker. Wir müssen nicht vor der Allmacht des Unbekannten auf die Knie gehen, aber wir könnten mehr Respekt entwickeln vor den Problemen anderer, wir könnten verschüttete Werte wiederentdecken und wir könnten – wie es die Lions weltweit seit über 100 Jahren tun – zupacken, wenn Not am Mann ist. Not macht bekanntlich erfinderisch.
Jedenfalls setzt diese Krise mit einem Mal ungeheure Kräfte frei. Milliarden werden plötzlich eingesetzt, um die Wirtschaft zu stärken und um das Chaos zu minimieren. Und doch kommt es zu den typischen Äußerungen in den Medien und im Netz: Es sind immer die, die alles besser wissen, besser können und sich in ihrem eigenen „Immerschlimmerismus“ sonnen. Sie sind keine wirklichen Krisenbewältiger, sondern allenfalls Brandstifter und Katastrophenbeschwörer.
Wenn wir das Virus besiegt haben, wird vielleicht eine neue Ära beginnen. Eine Zeit des respektvollen Miteinanders und Verstehens und einer neuen Bescheidenheit. Der Tanz um das Goldene Kalb ist zunächst einmal vorbei. Die Verfechter des rücksichtslosen Wachstums und der Gier nach mehr sollten erkennen, dass es endlich Zeit ist, dass jeder Einzelne seiner Verantwortung für sich, für sein Umfeld und das große Ganze auf unserem schönen Erdball gerecht werden muss. Die Bäume wachsen eben doch nicht in den Himmel, auch wenn die Heilsbringer es uns immer wieder ins Ohr flüstern. Die Corona-Krise könnte beweisen, wozu eine moderne Gesellschaft wirklich fähig ist, um in Frieden, Freiheit, Wohlstand und Würde zu leben.
Wulf Mämpel
April 2020 LION