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Neuigkeiten vom Lions Club Gera


08.04.2021

Gut ist nicht immer gut genug

Über die dunkle und helle Seite in Corona-Zeiten
Von Wulf Mämpel | Publizist | LION März 2021

Wir haben von allem zu viel und sind dennoch  nicht  glücklich.  Natürlich  nicht  in  Corona-Zeiten.  Egoismus und Empathie, Liebe und Lüge, Mitgefühl und Misstrauen − die hellen und die dunklen Seiten des Menschen kommen zutage. Doch: Gut ist eben nicht immer gut genug. Sorgen,  Langeweile,  Desinteresse,  Missachtung,  Jobverlust,  Einsamkeit,  Übergewicht  und  die  unterschiedlichen  Formen des  Lockdowns  bereiten  uns  zunehmend Probleme.

Ich  meine  nicht  die  kaum  zu ertragende Flut von Krimis im deutschen Fernsehen, deren Dümmlichkeit fast nicht zu übertreffen ist: Sind denn alle Polizeibeamte so naiv, so blöd, so schlecht gelaunt, so  unkollegial,  so  alleinerziehend  und  so trinkfest?  Diese  Krimis  sind  sicher  keine Werbung für die tägliche Leistung unserer Beamten!

Ich meine die zum Teil unverschämten Formen des Begehrens und der Bedürfnisse. Trotz der täglichen Daten-Tsunamis vermissen wir die kleinen Persönlichkeitsattribute wie „ein Bier um die Ecke“ oder das Füllen „der Leere in uns“ für einen kurzen Moment.  Wir  wissen  heute  doch  längst,  dass sich alle Wünsche und Träume dann erfüllen,  wenn  sie  erloschen  sind.  Wir  können heute vielem gebieten, aber wir beherrschen nicht uns selbst. Das macht unsere Wünsche so machtvoll und in den Folgen so schwer vorhersehbar.

Selbst  in  diesen  Lockdown-Tagen  fällt es vielen Menschen sehr schwer, zur Ruhe zu  kommen.  Viele  werden  renitent,  unbeherrschbar, wütend auf – ja, auf wen oder was eigentlich? Auf „die da oben“ etwa, die ihren Job so gut wie menschenmöglich versehen, oder die da unten, die aus nicht mehrnachvollziehbaren  Gründen  auf  der  Straße Steine werfen, Autos anzünden und Geschäfte plündern? Was geschieht zurzeit mit uns „gebildeten Mitteleuropäern“? Der beste Fortschritt ist allein das Streben dorthin, wo wir  ihn  vermuten.  Viele  Wünsche  können in der Tat Berge versetzen, sie können aber auch  Berge  auftürmen,  also  neue,  unüberwindbare Probleme kreieren, wo vorher keine waren. So ist der Mensch eben: Er macht aus Krisen gerne Katastrophen.

Was  mich  aber  empört,  ist  das  inzwischen  gnadenlos  um  sich  greifende  Besserwissen  von  Zeitgenossen  aller  Couleur − auch in den Medien − die bei jeder Antwort glauben, die vorherige Frage noch einmal  stellen  zu  müssen  –  jetzt  aber  diesem oder  jenem  Besserwisser  und  Faktenleugner. Führungskräfte in der Politik und in der Wirtschaft müssen über Nerven wie Drahtseile verfügen, um diese tägliche Bugwelle an  Unverschämtheiten,  Respektlosigkeiten und Undankbarkeiten über sich ergehen zulassen. Das eigene angestrebte Glück bedeutet in diesem Fall dann doch eher das Unglück eines anderen. Da wir unsere Ellenbogen  lieber  nutzen  (ich  denke  da  an  die Mob-Paraden  weltweit)  als  unseren  Verstand, sind Konflikte unvermeidbar. Wenn wir also gefragt werden „wie geht es Ihnen“, sollten wir antworten „Gut, aber eben nicht gut genug“. Denn das Bessere ist nach wie vor des Guten Feind.

In unseren Tagen wird viel von eigenen, ganz persönlichen Problemen berichtet und dabei  oft  die  Teilnahme,  die  Nächstenliebe, die ärztliche und pflegerische Arbeit und die  ehrenamtliche  Bereitschaft  vergessen, die unseren Alltag erträglicher machen. Es stimmt ja: Wir alle haben ein Jahr irgendwie verloren, indem wir uns unsere Wünsche nicht erfüllen konnten. Doch das bedeutet nicht gleich das Ende: das Ende von Nächstenliebe, Freundschaft, Tatendrang.

„Covid  ist  nicht  die  Pest“.  Wir  sollten uns jetzt nicht mehr damit aufhalten, darüber nachzudenken und zu klagen, was in den letzten Monaten schiefgelaufen ist oder nicht möglich war. Wir sollten nach vorne blicken. Wir leben ja auch nicht mehr im finsteren Mittelalter:  Die  Impfungen  haben  begonnen, der Lockdown wird gelockert, wir werden die nächsten Wochen mit schwankenden Inzidenzen leben müssen. Somit sollten wir uns lieber darüber Gedanken machen, was nach der Epidemie wichtig ist. Wichtig geworden ist! Hier sollten vernünftige Ideen schier grenzenlos sein, denn eines ist sicher: Irgendwann beginnt für uns alle wieder die Zukunft und damit das Ende dieses lang andauernden Winterschlafes.

Wulf Mämpel 






 
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