c/o Victor’s Residenz-Hotel Gera
Berliner Straße 38
07545 Gera
fon: +49 (365)8303930
fax: +49 (365)8303931
e-mail: info(at)lions-gera.de
Neuigkeiten vom Lions Club Gera
Wir haben von allem zu viel und sind dennoch nicht glücklich. Natürlich nicht in Corona-Zeiten. Egoismus und Empathie, Liebe und Lüge, Mitgefühl und Misstrauen − die hellen und die dunklen Seiten des Menschen kommen zutage. Doch: Gut ist eben nicht immer gut genug. Sorgen, Langeweile, Desinteresse, Missachtung, Jobverlust, Einsamkeit, Übergewicht und die unterschiedlichen Formen des Lockdowns bereiten uns zunehmend Probleme.
Ich meine nicht die kaum zu ertragende Flut von Krimis im deutschen Fernsehen, deren Dümmlichkeit fast nicht zu übertreffen ist: Sind denn alle Polizeibeamte so naiv, so blöd, so schlecht gelaunt, so unkollegial, so alleinerziehend und so trinkfest? Diese Krimis sind sicher keine Werbung für die tägliche Leistung unserer Beamten!
Ich meine die zum Teil unverschämten Formen des Begehrens und der Bedürfnisse. Trotz der täglichen Daten-Tsunamis vermissen wir die kleinen Persönlichkeitsattribute wie „ein Bier um die Ecke“ oder das Füllen „der Leere in uns“ für einen kurzen Moment. Wir wissen heute doch längst, dass sich alle Wünsche und Träume dann erfüllen, wenn sie erloschen sind. Wir können heute vielem gebieten, aber wir beherrschen nicht uns selbst. Das macht unsere Wünsche so machtvoll und in den Folgen so schwer vorhersehbar.
Selbst in diesen Lockdown-Tagen fällt es vielen Menschen sehr schwer, zur Ruhe zu kommen. Viele werden renitent, unbeherrschbar, wütend auf – ja, auf wen oder was eigentlich? Auf „die da oben“ etwa, die ihren Job so gut wie menschenmöglich versehen, oder die da unten, die aus nicht mehrnachvollziehbaren Gründen auf der Straße Steine werfen, Autos anzünden und Geschäfte plündern? Was geschieht zurzeit mit uns „gebildeten Mitteleuropäern“? Der beste Fortschritt ist allein das Streben dorthin, wo wir ihn vermuten. Viele Wünsche können in der Tat Berge versetzen, sie können aber auch Berge auftürmen, also neue, unüberwindbare Probleme kreieren, wo vorher keine waren. So ist der Mensch eben: Er macht aus Krisen gerne Katastrophen.
Was mich aber empört, ist das inzwischen gnadenlos um sich greifende Besserwissen von Zeitgenossen aller Couleur − auch in den Medien − die bei jeder Antwort glauben, die vorherige Frage noch einmal stellen zu müssen – jetzt aber diesem oder jenem Besserwisser und Faktenleugner. Führungskräfte in der Politik und in der Wirtschaft müssen über Nerven wie Drahtseile verfügen, um diese tägliche Bugwelle an Unverschämtheiten, Respektlosigkeiten und Undankbarkeiten über sich ergehen zulassen. Das eigene angestrebte Glück bedeutet in diesem Fall dann doch eher das Unglück eines anderen. Da wir unsere Ellenbogen lieber nutzen (ich denke da an die Mob-Paraden weltweit) als unseren Verstand, sind Konflikte unvermeidbar. Wenn wir also gefragt werden „wie geht es Ihnen“, sollten wir antworten „Gut, aber eben nicht gut genug“. Denn das Bessere ist nach wie vor des Guten Feind.
In unseren Tagen wird viel von eigenen, ganz persönlichen Problemen berichtet und dabei oft die Teilnahme, die Nächstenliebe, die ärztliche und pflegerische Arbeit und die ehrenamtliche Bereitschaft vergessen, die unseren Alltag erträglicher machen. Es stimmt ja: Wir alle haben ein Jahr irgendwie verloren, indem wir uns unsere Wünsche nicht erfüllen konnten. Doch das bedeutet nicht gleich das Ende: das Ende von Nächstenliebe, Freundschaft, Tatendrang.
„Covid ist nicht die Pest“. Wir sollten uns jetzt nicht mehr damit aufhalten, darüber nachzudenken und zu klagen, was in den letzten Monaten schiefgelaufen ist oder nicht möglich war. Wir sollten nach vorne blicken. Wir leben ja auch nicht mehr im finsteren Mittelalter: Die Impfungen haben begonnen, der Lockdown wird gelockert, wir werden die nächsten Wochen mit schwankenden Inzidenzen leben müssen. Somit sollten wir uns lieber darüber Gedanken machen, was nach der Epidemie wichtig ist. Wichtig geworden ist! Hier sollten vernünftige Ideen schier grenzenlos sein, denn eines ist sicher: Irgendwann beginnt für uns alle wieder die Zukunft und damit das Ende dieses lang andauernden Winterschlafes.
Wulf Mämpel